Möhrenkönig

Die Möhrenkönige

Wie zu allen Zeiten und überall gab es auch in und um Heiligenstadt Zank und Streit. Und wenn sich der Name "Heiligenstadt" auch recht fromm und brav anhört, so kam es doch vor, dass die Ritter der umliegenden Burgen gegen die Stadt voller Groll zu Felde zogen. Die Bürger Heiligenstadts verließen sich bei solchen Fehden auf ihre starken Mauern und die eigene Kampfkraft. Als nun die Feinde wieder einmal gegen die Stadt zogen, kam das große Heer auf Schleichwegen heran. Doch der Wächter auf dem Altstädter Kirchturm hatte das Anrücken der Feinde bemerkt und Alarm gegeben. Schnell schlossen die Torwächter die Stadttore mit den schweren Eichenriegeln. Aber wie das manches mal so geht, der Wächter des einen Tores konnte in der Aufregung den Holzriegel nicht finden. In der Eile half er sich mit einer großen Möhre, die seine Frau tags zuvor vom Felde mitgebracht hatte, um sie den Nachbarn zu zeigen. Nun gut, das Tor war geschlossen und wie auch die Feinde dagegen rannten, die Möhre hielt stand. Der Angriff, der noch tagelang fortgesetzt wurde, konnte abgewehrt werden. Das Tor blieb verschlossen. Deshalb ließ man auch die Möhre stecken und suchte nicht mehr nach dem Holzriegel.

Der Wächter des betreffenden Tores hatte eine Ziege, die während der ganzen Belagerungszeit im Stall angebunden stand und nichts zu fressen bekam. Die hungrige Ziege zog immer wieder an dem Strick, bis sie sich losreißen konnte. Durch die offene Stalltür lief sie auf den Hof und witterte den prächtigen Möhrenriegel. Man kann sich gut vorstellen, wie das Tier sich unbeobachtet an dem Leckerbissen labte. Von der Möhre blieb nichts mehr übrig. Kaum hatte die Ziege ihren Hunger gestillt, griffen die Belagerer erneut an. Sie konnten nun ohne jeden Widerstand das Stadttor aufstoßen und triumphierend die Stadt einnehmen. Die Geschichte mit dem Möhrenriegel sprach sich natürlich schnell herum und bald hatten die Heiligenstädter ihren Spitznamen weg: "Möhrenkönige".